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Der letzte Luchs

Nachdem mittlerweile von erneuten Vorkommen der Luchse beispielsweise an der oberen Donau berichtet wird und am Neujahrstag 2007 auf der Autobahn bei Laichingen auf der Schwäbischen Alb ein Luchs überfahren wurde, ist der nachfolgende Artikel aus einem “Albvereinsblättle” des Jahres 1929 von der Realität  wieder überholt worden.
Er zeigt allerdings deutlich, welche Einstellung solchen “Bestien” damals entgegengebracht wurde:

Der letzte Luchs in Württemberg
Von Forstmeister Wurm, Wiesensteig,
Quelle: Blätter des Schwäbischen Albvereins 41/7 1929

Am 12. Februar 1846 meldete der Kgl. Revierförster Renner von Unterlenningen dem Kgl. Forstamt Kirchheim u. T., daß vom 10. auf den 11. Februar desselben Jahres vom Bissinger oder Wiesensteiger Revier herkommend ein Wolf die Markung Schopfloch und Gutenberg über die Pfulb und den Seeberg den Uracher Forst durchstreift habe. Die Anzeige wurde vom Oberamt Kirchheim u. T., dem Forstamt, das sie dorthin weitergegeben hatte sofort wieder zurückgegeben mit der Aufforderung, den Revierförster Renner zu vernehmen, ob er den Wolf tatsächlich selbst gesehen habe; die Gewissheit darüber sei wichtig, die nötigen Maßregeln seien übrigens sofort angeordnet worden.  Bereits unter dem 15. Februar ging jedoch ein Bericht des Kgl. Revierförsters Marz. Der von 1842 bis zu seinem Tode im Jahre 1865 das Revieramt und jetzige Forstamt Wiesensteig verwaltet hat, an den Oberforstmeister und Kgl. Kammerherrn Frh. von Lützow in Kirchheim u. T. ab mit der Überschrift: "Kein Wolf, aber ein Luchs". Marz schilderte dann den Hergang folgendermaßen:
Am 14. Februar sei der Waldhüter Zink aus Wiesensteig mit der Meldung nach Haus gekommen, bei der Lärchenkultur am Letzholz [südöstlich vom "Bahnhöfle"] habe ein großes Tier ein Reh gefangen und gegen den Pfannenberg zu weggeschleift, es sei jedenfalls der Wolf. Die Fährte hielt Marz am andern Tag für eine Wolfsfährte und schickte in der Vermutung, das Tier stecke bei der Ruine Reußenstein, nach Neidlingen um Schützen und Treiber. Es erschien jedoch von den Neidlinger Jägern nur Ambacher, die anderen Schützen wollten auf das gefährliche Vergnügen anscheinend lieber verzichten.
Die beiden Schützen stellten sich auf der Markungsgrenze Wiesensteig auf, während ein Treiber von den Felsvorsprüngen aus Steine den Steilhang hinab warf. Ganz in der Nähe der Burg Reußenstein lief die "Bestie" den Revierförster Marz an, der zweimal auf sie schoß. Das Tier stürzte daraufhin den Berg hinab, machte noch ein paar Sprünge und blieb etwa 60 Schritte unterhalb der Grenze, im damaligen Revier Bissingen liegen. Zu seinem Erstaunen entdeckte der Revierförster beim Aufheben der Beute, dass er einen Luchs erlegt hatte. Das Raubtier wog 44 Pfund, war männlichen Geschlechts, an den Läufen getigert, von der Schnauze bis zur Rute 3 Fuß 3 Zoll lang, am Schulterblatt 2 Fuß 2 Zoll hoch, die Rute selbst maß 6 Zoll. Der Schuß kam von oben schief und traf auf die linke Seite, mitten auf den Leib.
Eine sofortige Ablieferung an das zuständige Revieramt Bissingen unterblieb wegen der herannahennden Nacht, der Luchs wurde nach Wiesensteig mitgenommen und bereits am übernächsten Tag dort von einem Abgesandten des Naturalienkabinetts in Stuttgart abgeholt, woselbst er sehr gut erhalten heute noch zu sehen ist. Der glückliche Schütze erhielt in Anbetracht der Gefährlichkeit der Unternehmung eine Belohnung von 10 Gulden bewilligt. Ein Ölbild der Jagd befindet sich im Besitze der Familie eines leider sehr früh verstorbenen Enkels des Erlegers, der ebenfalls in Wiesensteig als Oberförster tätig war; eine Kopie davon ist auf dem Rathaus in Wiesensteig.
Nach der Bedeutung, die dem Vorfall in der damaligen Zeit beigemessen wurde und die sich auch aus einem ausführlichen Bericht an die damalige Finanzkammer ergibt, geht hervor, dass der Luchs schon vor 80 Jahren fast ganz ausgestorben war, sonst hätte man bei dem damaligen, gegen heute erheblichen Reichtum an Raubzeug dem gefährlichen Schädling nicht so viel Aufmerksamkeit gewidmet.    
(mit freundlicher Genehmigung des Schwäbischen Kulturarchiv e.V.)

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