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Beschreibung von Paul Stierle

Das Wappen der Ritter "von Reußenstein"

SigelK

Es gibt nur ganz wenige Möglichkeiten, das Wappen der Ritter "von Reußenstein" zu sehen. Zwei Adelsgeschlechter haben es getragen, nämlich eine Linie der Familie Reuß von Kirchheim und die Herren "von Stein". Im Wappenschild war ein aufgerichteter Bär. Man findet diesen Wappenschild in drei Handsiegeln und zwei Grabdenkmalen. Das erste Handsiegel auf Wachs ist angehängt an das Originalpergament zu der Urkunde W.R. 10028, die am 7. Dezember 1336 ausgestellt wurde von der Priorin und dem Konvent des Frauenklosters in Kirchheim und welche eine Stiftung des Ritters "Cunrad des Rüssen" von Kirchheim bezeugt. Das Insiegel zeigt einen einfachen, ungeteilten Schild, den als Wappenbild ein aufgerichteter, nach links sehender Bär ganz ausfüllt. Er ist, wie die meisten Wappentiere, in Angriffstellung. Da das Wappen kein höheres Tier (Löwe, Adler oder Greif) im Schilde führt, gehört es einem Mitglied des niederen Adels. Sein Name ist in der Umrahmung des Schildes zu lesen: "CUNRAD DER RÜSZE", MILES.
Genau dasselbe Wappentier ist auf einem anderen Handsiegel auf Wachs zu sehen, welches an dem Originalpergament einer Urkunde hängt. Diese ist von dem Ritter Hans von Stein ausgestellt und am 23. April 1349 von ihm besiegelt worden. Der Wappenschild ist hier durch unauffällige Linien mehrfach schräg geteilt. Ob die hierdurch entstandenen Rauten oder Wecken eine Andeutung sein soll, dass der Siegelnde in den Diensten der Herzöge von Teck stand, das ist nach der Beschreibung des Oberamts Kirchheim (Ritter Johann vom Stain, Vogt zu Teck) wahrscheinlich. 

In der Umrahmung des Schildes ist keine Inschrift zu bemerken, aber die Urkunde beweist Hans von Stein als Träger des Reußensteiner Wappens. Wir haben bereits erfahren, dass er zu den ersten Besitzern der Burg gerechnet werden kann. Ein drittes Mal erscheint der Bär in dem Handsiegel des "Heinrich vom Rüsenstein", der am 14. September 1478 einen Kaufbrief siegelte.Auf einem Grabdenkmal in der Klosterkirche in Faurndau kann man das vierte Reußensteiner Bärenwappen finden. Das Epitaph zeigt zwei Wappenschilde innerhalb einer breiten Umrahmung. Im oberen Wappenschild steht der Reußensteiner Wappenbär, aufgerichtet, angriffslustig die Krallen zeigend und die Zunge herausstreckend, aber diesmal nach rechts schauend.
Der untere Schild hat als Wappenbild einen Dreizack. Es ist vielleicht das Wappen der Adelsfamilie Ebner von Ebnat. Von der Schrift in der Umrahmung ist heute noch lesbar: "Anno Domini 1521 an sant ... und Jacob starb der …. eyssenstein, dem Got gnad".
Das Epitaph soll nach der Literatur einem Hans Reuß von Reußenstein auf Filseck gewidmet worden sein im Jahr 1465. Wenn die Jahreszahl der Grabplatte 1521 heißen muss, so kommt für den Begrabenen nur "Heinrich Rüß vom Rüsenstein" in Frage.
Eindeutig kann man auf einem anderen Grabdenkmal in der Vorhalle der Kirche in Schelklingen das Reußensteiner Wappen mit dem Namen des Trägers in Verbindung bringen. Es wird als das Epitaph für Hans Reyss von Reyssenstain angesehen, der nach dem Adels und Wappenbuch von Alberti als letzter seines Stammes und Namens am 6. April 160_3 in Schelklingen gestorben ist. Die Inschrift im Plattenrahmen bestätigt, dass der in Stein gehauene Ritter den Adelstitel Reuß von Reußenstein trug. Sie lautet, soweit sie noch lesbar ist: ...26. Aprilis starb ... eyss von Reyssenstain, dem Gott gnädig und barmherzig sein wolle. Amen." In der linken oberen Ecke des Totengedenksteines ist das Reußensteiner Wappen mit dem nach rechts schauenden Bären. Oben rechts ist das Württemberger Wappen mit 3 Hirschhörnern, links unten der Wappenschild mit dem Dreizack wie in Faurndau, rechts unten steht das Wappen der Herren von Freyberg Steußlingen (=Eisenberg oder Raunau. - Alberti). Junker Hans Reuß von Reußenstein besaß ein eigenes Haus in Schelklingen, das spätere Gasthaus zum Rößle. Er kann der Linie Reuß zu Filseck auf Grund von zwei Wappenschildern (Bär und Dreizack) zugerechnet werden.
Stellen wir die bisher bekannten Vorkommen und Träger des Reußensteiner Wappens zusammen, so haben wir folgende Übersicht:
1.) 7. 12. 1.336: Ritter Cunrad der Rüsse;
2.) 23. 4. 1,349: Ritter Hans vom Stain;
3.) 14. 9. 1478: Heinrich Rüß vom Rüsenstein;
4.) 1521: . . . . Reyssenstain (Epitaph Faurndau);
5.) 1603: . . . . Reyss von Reyssenstain (Epitaph Schelklingen).
In der Beschreibung des Oberamts Kirchheim wird ein weiteres Vorkommen des Wappens erwähnt, nämlich vom Jahr 1,311 in dem Handsiegel des Ritters Johann vom Stain, Vogt zu Teck. Wo die Urkunde für dieses Vorkommen zu finden ist, weiß niemand. Ferner soll eine Urkunde des Klosters Kirchheim im Jahr 1371 von Johans von Stein (Johan de Lapide) gesiegelt worden sein mit dem Reußensteiner Wappen. Literatur und Augenschein geben uns also das Recht zu der Vermutung, dass die Herren von Stein und die Nachkommen des Cunrad Rüsse von Kirchheim die Burg Reußenstein als ihre Stammburg ansahen.
Der aufgerichtete Bär ist auch in anderen Adelswappen zu finden, so bei den Herren "von Nellingen" und "von Bernstadt". Man hat daraus geschlossen, dass alle diese Adelsfamilien miteinander verwandt gewesen seien. Aus welcher Familie ist das ursprüngliche Wappen mit dem Bären hervorgegangen. Ein so genanntes redendes Wappen kann es nur für die Herren von Bernstadt bei Ulm sein, denn ihr Wappentier deutete ihren Wohnort (1253 Berolfisstat) an. Redende Wappen in diesem Sinn haben auch die Adelsfamilien von Behrental, Behrenfels, Bernhard und Bernerdin. Nicht bei Cunrad dem Rüssen aber bei Johann vom Stain würde der Bär in dem Handsiegel sofort einen Sinn bekommen, wenn wir annehmen wurden, dass die Herren von Stein aus der Adelsfamilie "von Bernstadt" stammen. Konrad Reuß hätte es dann mit der Burg Reußenstein von seiner Verwandtschaft übernommen.
Zu den Trägern des Reußensteiner Wappens könnten aus dem Adelsgeschlecht "von Stein" gerechnet werden: 1311: Ritter Johann "vom Stein"
1340: Ritter Johann "von Stein"
1342: Ritter Diethoch vom Stein
1349: "Hans vom Stain"
1350: Cunz von Stain
1381: Berthold vom Stain und Cunrat vom Stain.
Aus dem Adelsgeschlecht "Reuß" (von Kirchheim) sind in der Literatur eine Menge von Mitgliedern aufgeführt, aber nur die Nachfahren des Konrad Reuß (Urkunde
1340) werden das Reußensteiner Bärenwappen getragen haben. Wir wollen sie mit üblichem Vorbehalt in einer Übersicht zusammenstellen.
Der Ahnherr Ritter Konrad Reuß, von 1340  1370 auf dem Reußenstein; 1343: der Pfaff Johann Rüß; 1347; Konrad RUß, Chorherr in Augsburg, hat Anteil an der Burg Reußenstein; 1379: "Hans RUß auf Filseck verkauft alle seine zu Filseck gehörigen Leute und Güter zu Uhingen, wobei einer lehensherrlichen Zustimmung nicht gedacht wird". Hans RUß hatte also die Burg Vilsegge (Schreibweise 1302) in allodialem Besitz. Er führt zwar nicht "von Reußenstein" in dem Adelstitel, aber seine Nachkommen auf Filseck haben es erreicht, dass ihnen der Herzog von Württemberg die Führung dieses Titels genehmigt hat. Demnach gehört auch unser Hans Rüß auf Filseck zu den berechtigten Wappen und Namensträgern der "Reuß von Reußenstein". Von den Nachkommen taucht erst im Jahr 1459 ein Hans Reuß auf Filseck auf, der sich zwar 1472 nur "Hanns Rüsse zu Vilßegk" schreibt, aber im Jahr 1474 "Junkherr Hanns Rüß von Rüssenstein" genannt wird.
Wenn wir dieser Mitteilung Glauben schenken wollen, so muss sie auch als erste Erwähnung des Adelstitels "Reuß von Reußenstein" angesehen werden. Vorerst ist es besser, wir vertrauen auf den Text in dem Originalpergament zu der Urkunde vom Jahr 1478 nebst dem angehängten Reußensteiner Wappen im Handsiegel und bezeichnen den dort erwähnten "Heinrich Rüß vom Rüsenstein" als ersten Träger des Adelsnamens "Reuß von Reußenstein".
1519 ist ein Hans Michel Reuß von Reußenstein Statthalter in Göppingen und 1525 Kommandant auf der Burg Hohenstaufen im Bauernkrieg; 1546 wird eine Jungfrau Appolonia Reußin von Reußenstein genannt; im Jahr 1553, 1559 und 1568 ein Wilhelm Reuß von Reußenstein, dessen Söhne die Burg Filseck 1568 an den Bürgermeister von Göppingen, Balthasar Moser, verkauften. Im Jahr 1569, so wird berichtet, soll ein Karl Reuß von Reußenstein für den Zweck der Aufnahme in den geistlichen Ritterorden St. Johann zu Malta von dem Grafen Ludwig von Württemberg ein Zeugnis erhalten haben, dass er von 8 adeligen Ahnen vater- und mutterseits herkomme. Er hätte demnach eine Ahnentafel vorweisen können, die bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts zurückgereicht hätte, das heißt, er hätte Konrad Reuß (Urkunde 1.340) als seinen Ahnherrn ausgeben können. Im Jahr 1577 ist dieser Karl Reuß von Reußenstein Komtur in der Komturei Rohrdorf bei Nagold. Das bedeutet, dass er ein hochrangiger Ritter des Johanniterordens war, dem die Güter dieses Ordens im Bezirk Rohrdorf zur Verwaltung anvertraut waren. Dann endet 1603 mit Hans Reyss von Reyssenstain der Mannesstamm des Adelsgeschlechtes, das im 16. Jahrhundert den Namen unseres Reußensteins getragen hat. Von ihm haben wir als wertvolles Andenken sein kunstvoll in Stein gehauenes, stolzes Ritterbild in der Pfarrkirche zu Schelklingen. Die Zeit der "edlen und vesten" Junker oder Ritter von Reußenstein war vorbei, die Stammburg im Neidlinger Tal war zerfallen und der Wohnsitz der Väter auf Schloss Filseck war in fremden Händen.

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